- AUSTROMED sowie europäische Dach- und Schwesterverbände begrüßen Ankündigung der EU-Kommission, den Geltungsbeginn der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) am 26. Mai 2020 um ein Jahr auszusetzen
- Branche unterstützt Beschaffungs-Initiativen, pocht aber gleichzeitig auf Einhaltung von Qualitätsstandards, insbesondere bei COVID-19-Schnelltests
Die Verbreitung von SARS-CoV-2 in Europa und in der ganzen Welt stellt Gesundheitssysteme insgesamt, aber vor allem auch die Medizinprodukte-Branche vor einzigartige Herausforderungen. AUSTROMED unterstützt als Interessensvertretung der österreichischen Medizinprodukte-Unternehmen schon seit einigen Monaten die öffentliche Hand und zentrale Koordinationsstellen intensiv bei der Informationsbeschaffung rund um die Supply Chains und Verfügbarkeiten dieser so wichtigen Produkte. Dies betrifft insbesondere Schutzausrüstung wie Masken.
Während also ein Teil der in diesem Bereich tätigen Unternehmen Tag und Nacht damit beschäftigt ist, die Versorgung von Ärzten, Patienten und Gesundheitseinrichtungen sicherzustellen, bedeutet die aktuelle Situation – insbesondere das Herunterfahren der geplanten Operationen auf praktisch Null – für andere österreichische Unternehmen massive Umsatzeinbußen.
Mehr Flexibilität gefordert
Die AUSTROMED begrüßt daher die gestrige Ankündigung der EU-Kommission, den Geltungsbeginn der EU-Verordnung über Medizinprodukte (MDR), der ursprünglich Ende Mai 2020 gelegen wäre, um zwölf Monate zu verschieben. Gemeinsam mit ihrer europäischen Dachorganisation MedTech Europe und ihren Schwesterorganisationen in ganz Europa hatte sich die AUSTROMED im Vorfeld dafür stark gemacht.
„Jetzt geht es noch um wesentliche Details“, betont AUSTROMED-Präsident Gerald Gschlössl. „Diese Verschiebung des Stichtags muss auch für die EU-Verordnung über In-vitro-Diagnostika gelten, die weiterhin genau zwei Jahre später Gültigkeit erlangen sollte. Darüber hinaus sollte die EU-Kommission angesichts der dynamischen und unvorhersehbaren Entwicklung der Corona-Krise in Europa in ihren Stichtagen Flexibilität bewahren. Unsere Forderung: Die MDR soll frühestens sechs Monate nach Ende der Pandemie Gültigkeit erlangen.“
Mit diesen Verordnungen wird die Neu- bzw. Rezertifizierung einer Reihe von Medizinprodukten notwendig. Die AUSTROMED unterstützt selbstverständlich alle Initiativen für mehr Qualität in diesem Bereich, hat aber in den letzten Jahren bereits mehrfach auf das Fehlen der notwendigen Benannten Stellen hingewiesen, die es braucht, damit die Unternehmen überhaupt den Nachweis dafür erbringen können, dass ihre Produkte den Vorgaben der MDR bzw. der IVDR entsprechen.
„Medizinprodukte-Unternehmen in Österreich und in ganz Europa müssen derzeit all ihre Kapazitäten aufbringen, um den Betrieb und die Versorgung – und damit nicht zuletzt zehntausende Arbeitsplätze – sicherzustellen“, so Gschlössl. „Gleichzeitig ist es europaweit noch immer nicht gelungen, ausreichend Benannte Stellen für die Zulassung von Medizinprodukten einzurichten. Nur mit entsprechender Flexibilität kann die EU einen Engpass in der Medizinprodukte-Branche verhindern.“
Verschiebung hilft allen Stakeholdern
Dies ist umso wichtiger, als nicht nur die Medizinprodukte-Unternehmen selbst, sondern auch Behörden und (gesundheits-)politische Entscheidungsträger sowie – durch den praktisch europaweiten Aufruf zur Vermeidung von persönlichem Kontakt – die Benannten Stellen massiv mit den Auswirkungen der Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu kämpfen haben. Zudem werden die Ressourcen für klinische Studien, die in vielen Fällen zur (Re-)Zertifizierung von Medizinprodukten notwendig sind, derzeit nachvollziehbarerweise in der Bekämpfung von SARS-CoV-2 gebündelt. Und eine Entspannung dieser Gesamtsituation ist derzeit noch nicht abzusehen.
AUSTROMED-Präsident Gschlössl: „Mit der Verschiebung ist allen geholfen – den Unternehmen, die Tag für die Tag um die Versorgungssicherheit in Europa kämpfen, ebenso wie den politischen Entscheidungsträgern, den Behörden und den relevanten Forschungseinrichtungen.“
Strenge Qualitätskriterien müssen auch in der Krise gelten
Schon bisher werden Medizinprodukte vor ihrer Zulassung auf Herz und Nieren getestet. Die AUSTROMED plädiert dafür, auch angesichts der aktuellen Engpässe in einigen Bereichen Qualität nicht hintanzustellen. So können etwa Einmalmasken oder Masken aus Stoff zwar laut Auskunft der AGES das Risiko der Weiterverbreitung des Virus aufgrund von Niesen oder Husten reduzieren; sie sind aber kein adäquater Ersatz für zertifizierte Medizinprodukte und insbesondere nicht für jene FFP2- und FFP3-Masken, die für den Umgang mit COVID-19-erkrankten Personen empfohlen werden.
Auch das Thema Schnelltests sieht die Branche kritisch. AUSTROMED-Präsident Gschlössl: „Die Diagnostik-Industrie arbeitet global unter Einsatz aller aufzubietenden Möglichkeiten dafür, die Tests in noch größerem Ausmaß zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig müssen die Tests zuverlässige Ergebnisse liefern, um nicht eine unkontrollierte Verbreitung von SARS-CoV-2 zu riskieren.“ Neben den materiellen Ressourcen braucht es daher eine Reihe von flankierenden Maßnahmen wie geschultes Personal, abgestimmte Algorithmen und eine 24-Stunden-Auslastung der Testläufe, um eine möglichst hohe Zahl an validen Ergebnissen sicherzustellen.
„Selbstverständlich stellen wir als Interessensvertretung auch weiterhin den politischen Entscheidungsträgern unser Wissen und unser Netzwerk in diesen so wichtigen Fragen zur Verfügung“, betont AUSTROMED-Präsident Gschlössl. Insgesamt sieht die AUSTROMED das bisherige Vorgehen der Bundesregierung in der Corona-Krise sehr positiv, insbesondere das rasche Handeln, das zur Aufhebung der Exportbeschränkungen für Medizinprodukte geführt hat.
Gschlössl erklärt abschließend: „Gemeinsam können wir die Verbreitung von SARS-CoV-2 eindämmen, unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps bewahren und hoffentlich schon bald wieder gesund unserem gewohnten beruflichen und privaten Alltag nachgehen.“